Unternehmer: Rolex als Betriebsausgabe? So entlarven Sie die Tricks der selbsternannten Steuergurus (Steuerberater Daniel Heeb klärt auf)

Auf Social-Media-Kanälen treffen wir aktuell wieder verstärkt auf Anbieter, die sich geschickt als „Kanzlei“ präsentieren und Unternehmern scheinbar professionelle Steuertipps geben. Diese Anbieter nutzen reißerische Headlines wie „Rolex von der Steuer absetzen“ und andere spektakuläre Versprechen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Oft handelt es sich jedoch nicht um echte Steuerberater, sondern um geschickte Marketer, die den Begriff „Kanzlei“ verwenden, um Seriosität zu suggerieren.

 

E-Mail-Marketing ist nach wie vor eines der effektivsten Werkzeuge, um Kunden zu gewinnen und zu binden. Ein gut gestalteter Marketing-Funnel kann dabei Wunder wirken. Heute werfen wir einen Blick auf einen spezifischen E-Mail-Marketing-Funnel, der technisch hervorragend umgesetzt ist und durch eine geschickte, wenn auch umstrittene, Taktik besticht. Dieser Ansatz ist nicht nur reißerisch genug, um die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden zu gewinnen, sondern auch problematisch im Hinblick auf die rechtlichen Rahmenbedingungen.

 

Der Marketing-Funnel eines aktuellen Anbieters: Ein Überblick (anonymisiert)

Ein Marketing-Funnel beschreibt den Weg, den ein potenzieller Kunde durchläuft – von der ersten Berührung mit einem Angebot bis hin zur finalen Aktion, wie dem Kauf oder der Anmeldung zu einem Newsletter. In unserem Fallbeispiel funktioniert der Funnel wie folgt:

 

1. Lead Magnet – das Freebie:

Der Funnel beginnt mit einem sogenannten „Lead Magnet“, einem kostenlosen Angebot, das einen Mehrwert für den Empfänger darstellt. Hier handelt es sich um eine kostenfreie Komplettanleitung zur Nutzung eines Firmenwagens ohne 1%-Regel oder Fahrtenbuch, inklusive Mustervertrag und BFH-Urteile.

 

2. Anmeldeformular:

Interessenten geben ihre E-Mail-Adresse in ein Formular auf einer Webseite ein, um das Freebie zu erhalten. Dies ist der erste Schritt, bei dem sie in den Funnel eintreten.

 

3. Double Opt-In (DOI) E-Mail:

 Nach der Eingabe der E-Mail-Adresse erhalten die Interessenten eine Bestätigungs-E-Mail. Diese E-Mail enthält den Downloadlink zum Freebie. Hier liegt der Knackpunkt: Es wird nicht klar darauf hingewiesen, dass der Empfänger sich gleichzeitig zu einem Newsletter anmeldet.

 

4. Download und Bestätigung:

Der Empfänger klickt auf den Link in der E-Mail, um das Freebie herunterzuladen. Durch diesen Klick bestätigt er sowohl den Erhalt des Freebies als auch die Anmeldung zum Newsletter. Diese Taktik, bei der die Newsletter-Anmeldung verschleiert wird, ist praktisch für den Anbieter, da sie die Hürde für die Anmeldung senkt und die Conversion-Rate erhöht.

 

5. Folgekommunikation:

Nach der Bestätigung erhält der Empfänger regelmäßig E-Mails mit weiteren Inhalten und Angeboten. Diese E-Mails sollen den Empfänger binden und ihn schrittweise zu einer konvertierenden Aktion (z.B. einer Dienstleistungsbuchung) führen.

 

Technisch gut gemacht aber rechtlich fragwürdig

Aus Marketing-Sicht ist dieser Funnel clever aufgebaut: Er nutzt ein verlockendes Freebie, um die Hemmschwelle für die Anmeldung zu senken, und erreicht durch die „verschleierte“ DOI-Mail eine hohe Conversion-Rate. Die Kommunikation ist genau richtig reißerisch, um die Zielgruppe zu fesseln.

 

Allerdings ist dieser Ansatz auch rechtlich problematisch. Gemäß der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) muss die Einwilligung zum Erhalt von Newslettern transparent und informiert erfolgen. Die verschleierte Taktik, bei der nicht klar kommuniziert wird, dass der Klick auf den Downloadlink gleichzeitig eine Newsletter-Anmeldung bedeutet, verstößt gegen diese Regelungen. Es ist wichtig, dass E-Mail-Marketing transparent und rechtlich einwandfrei gestaltet wird, um langfristig das Vertrauen der Empfänger zu gewinnen und rechtliche Konsequenzen zu vermeiden.

 

Doch wie sieht die steuerliche Realität hinter den Marketing-Versprechen aus? (Steuerberater Daniel Heeb klärt auf)

Wir als Steuerberater hören immer wieder von unseren Mandanten, welche überragenden Ideen die selbsternannten Steuergurus entwickeln, um Steuern zu halbieren oder gar zu vermeiden – sei es die Rolex, den Urlaub oder sogar den Hund von der Steuer abzusetzen. Ich selbst lese ab und zu die „Tipps“ der Immobilien- und Versicherungsmakler, die meinen, steuerlich und rechtlich sicher beraten zu können. Ganz davon abgesehen, dass sie das nicht dürfen und dies clever umgehen, sind die genannten Beispiele teils nahe an Steuerhinterziehung oder bringen unerwartete Kosten mit sich. Nicht zu vergessen die Honorare der Gurus, die ja irgendwie ihre Sportwagen und neuen Rolex bezahlen müssen. 😉

 

Beispiel 1: Die Rolex als Betriebsausgabe

Wer kennt es nicht: Eine Rolex, die nicht über den Graumarkt gekauft wird, kostet rund 11.000 €, je nach Modell und Material. Angenommen, man könnte diese von der Steuer absetzen, ergäbe sich eine Steuererstattung durch den deutschen Staat.

 

Prepaid Kreditkarten (Alte Rechtslage)

  1. Angenommen, ich bin angestellter Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH.

  2. Zum Jahresende zahle ich mir Boni oder Weihnachtsgeld aus, nutze dafür eine Prepaid-Kreditkarte und lade sie mit 11.000 € auf.

  3. Damit kaufe ich mir die Rolex beim Juwelier meines Vertrauens.

Folgen:

Die Prepaid-Kreditkarte zählt als Sachbezug und muss pauschal versteuert werden (30% zzgl. Solidaritätszuschlag von 5,5%, also 3.481,50 €). Achtung: Da es sich um eine GmbH handelt, muss der Grundsatz der Fremdüblichkeit beachtet werden. Das bedeutet, die GmbH müsste dies auch einem fremden Dritten gezahlt haben. Das würde zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führen, wodurch der „Vorteil“ mehr als dahin wäre.

 

Angenommen, ein entsprechender Bonus wäre gerechtfertigt, dann generiere ich durch diese Form Betriebsausgaben in Höhe von 14.481,50 € und dadurch eine Steuererstattung (Körperschaft- und Gewerbesteuer) in Höhe von ca. 4.345 €. Die Uhr hat effektiv 10.137 € gekostet. Ich hätte also 863 € gespart. Dafür müsste ich jedoch eine GmbH besitzen oder gründen, was im Rahmen der Steuererklärungen und Bilanzen mehr als das Doppelte kostet. Das nicht unwesentliche Risiko einer verdeckten Gewinnausschüttung trage ich ebenfalls. Somit würde die Uhr letztlich etwa 17.000 € kosten.

 

Nach neuer Rechtslage ist dies ohnehin nicht mehr möglich, da die Nutzung von Prepaid-Kreditkarten ab 2021 stark eingeschränkt wurde.

 

Beispiel 2: Steuern zurückholen und rechtskräftige Bescheide ändern

Wie man Steuern zurückholen kann, wird hier mit dem Thema Investitionsabzugsbetrag (IAB) angepriesen. Wow, wenn das mal keine Neuerung ist. Grundsätzlich gilt, dass der IAB die steuerliche Bemessungsgrundlage verringert. Weniger Gewinn bedeutet weniger Steuer. Fällt der Gewinn durch den IAB unter den Grundfreibetrag, habe ich sogar gar keine Steuer. Allerdings gibt es hierbei Grenzen zu beachten und Voraussetzungen zu erfüllen. Zudem verlagere ich hiermit nur meine Steuerlast. Das Ganze macht tatsächlich Sinn, wenn Anschaffungen von überwiegend betrieblich genutzten beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens im Folgejahr geplant sind und im betreffenden Jahr des Abschlusses ein exorbitanter Gewinn vorliegt. Bei annähernd gleichbleibenden Ergebnissen ist das völlig sinnfrei, außer ich benötige kurzfristig eine Liquiditätsspritze durch die Steuerrückerstattung, um beispielsweise nicht Zwischenfinanzieren zu müssen. Aber auch hier gehe ich davon aus, dass der steuerliche Berater dies im Blick hat. Hierfür ein horrendes Honorar an einen Guru zu bezahlen, halte ich für fragwürdig.

 

Nach Veranlagung und Erlass des Steuerbescheides ist dieser nach Ablauf der Einspruchsfrist bestandskräftig. Kann man diesen also tatsächlich ändern? Ein bestandskräftiger Bescheid ist im Rahmen von Korrekturvorschriften nach der Abgabenordnung noch eine gewisse Zeit änderbar. Zum Beispiel sollte sich ein Grundlagenbescheid ändern, ist auch zwingend der Einkommensteuerbescheid zu ändern. Habe ich also eine Beteiligung bei einer Personengesellschaft und deren Ergebnis wird erst festgestellt, nachdem mein Einkommensteuerbescheid bereits bestandskräftig ist, dann ändert sich dieser trotzdem noch von Amts wegen. Hier kann ich in der Personengesellschaft natürlich, sofern noch nicht bestandskräftig veranlagt, einen IAB bilden und dadurch meinen bereits bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid ändern. Aber auch das ist Standardberatung und keine Raketenwissenschaft.

 

Die findigen Gurus empfehlen hier die fragwürdige Methode, im Nachgang so zu tun, als hätte man bereits im abgelaufenen Jahr eine GbR gegründet und bräuchte hier einen IAB. Sollte das tatsächlich der Fall gewesen sein, kein Problem. Aber eine „Schein-GbR“ zu erfinden, ist meines Erachtens ein absolutes No-Go. Insbesondere ist diese Gestaltung – wie bereits erwähnt – auch nur bei tatsächlich geplanten Anschaffungen zu empfehlen, da ich ansonsten den IAB rückwirkend aufzulösen und Zinsen zu zahlen habe.

 

Derzeit kommen nun auch vermehrt Genossenschaften in den sozialen Medien ins Spiel. Natürlich haben Genossenschaften bei gewissen Einkünften tatsächlich eine gesetzliche Ausnahmeregelung zur Besteuerung. Allerdings ist auch dies mit Vorsicht zu genießen. Grundsätzlich versteuert eine Genossenschaft ihr Ergebnis wie auch alle anderen Kapitalgesellschaften, mit rund 30% Steuersatz. Lediglich Einnahmen, die mit der Förderung der ordentlichen Genossenschaftsmitglieder zusammenhängen, sind eventuell steuerfrei. Hier gibt es weitere Aspekte zu beachten, auf die ich hier aber nicht näher eingehen werde.

 

Warum also das Thema Genossenschaft? Ganz einfach, weil die Gurus anpreisen, man könne Zuwendungen von der Genossenschaft steuerfrei vereinnahmen, sofern man diese als Förderzweck der Genossenschaft deklariert. Aber Achtung: Die Krux liegt wie immer im Detail, denn das geht nur unter ganz bestimmten Bedingungen. Wer glaubt, die Genossenschaft könne wie eine GmbH behandelt werden, mit dem Unterschied, dass alles steuerfrei bleibt, irrt sich gewaltig. Auch hier ist Beratung durch einen Steuerberater zwingend zu empfehlen.

 

Fazit

Bei allem, was von den selbsternannten Helden der Steuervermeidung propagiert wird, sollte man Rücksprache mit seinem steuerlichen Berater halten. Ist dieser für Gestaltungsberatung ungeeignet, kann man sich auch einen geeigneteren Sparringspartner aus der Branche suchen.

 

 

Daniel Heeb ist Inhaber der Heeb Steuerberatungsgesellschaft mbH in Bad Sobernheim. Seine Kanzlei legt großen Wert auf eine verständliche und umfassende Beratung und bietet sowohl klassische als auch moderne digitale Beratungsleistungen an. Mit einem jungen und flexiblen Team unterstützt er Unternehmer dabei, ihre steuerlichen Angelegenheiten effizient und rechtssicher zu gestalten. ➡️ https://steuerberater-heeb.de/